Maibräuche in Zeiten von Corona
Normalerweise geht es Ende April in unseren Dörfern im Zusamtal so geschäftig zu wie sonst selten: Oft über 30 m hohe Fichtenstämme werden aus dem Wald geholt, aufwendig und kunstvoll beschnitzt; riesige Kränze und Girlanden aus Fichtenreisig („Daas“) werden gebunden, Fichtenwipfel („Girbel“) und Kränze mit Stoffbändern geschmückt und schließlich die prächtigen Maibäume aufgestellt – traditionell mit Scheren, den langen Holzstangen, oder auch mit Maschinenkraft wie in Violau.
Schon diese gemeinsame Arbeit am Maibaum hat etwas Verbindendes, das mich jedes Jahr wieder begeistert, seit wir nach Violau gezogen sind: Sonst trifft man sich oft nur auf der Straße oder bleibt zu einem kurzen Hoigarta am Zaun stehen, doch beim Kranzen und Schnitzen (und beim nächtlichen Bewachen des Stammes!) helfen Menschen aus dem ganzen Dorf zusammen, genießen die gemeinsame Kaffeepause und freuen sich auf das Fest, wenn der Baum endlich steht. Über die Expertise, mit der das Muster für die Rindenschnitzerei über viele Meter hinweg eingeteilt wird, und die Geschicklichkeit beim Kranzen staune ich auch nach vielen Jahren immer noch. Ich selber habe es nie über den Rang einer Wedelschneiderin hinausgebracht, bereite also nur die Fichtenzweige für die Kranzbinderinnen vor oder zwicke Draht für die Bänder ab. Mein künstlerischer Beitrag beschränkt sich normalerweise auf das Zusammenstellen von Bändern in drei Farben für ein Bänderbüschel.
Zusammen mit den Musikkameradinnen und -kameraden der Blaskapelle Violau war ich am Abend des 30. April in früheren Jahren immer erst „auf Tournee“, bevor wir uns mit allen anderen zum Feiern in Violau getroffen haben: Erst haben wir unter den Maibäumen in Violau, Neumünster und Unterschöneberg kleine Standkonzerte gegeben.
All das ist schon im vergangenen Jahr der Corona-Pandemie zum Opfer gefallen, und auch heuer war an fröhliche Feste bei Bratwurst und Bier nicht zu denken. Aber mit Erlaubnis von Bürgermeister Florian Mair durften immerhin die Feuerwehren unter strengen Auflagen Maibäume aufstellen. In sieben unserer neun Ortsteile machen nun also Maibäume Hoffnung auf bessere Zeiten – bescheidene Birken, aber gerade deshalb Zeichen der Zuversicht. (Auf der Website der Augsburger Allgemeinen gibt’s eine kleine Bildergalerie. Am besten auf dem Smartphone anschauen – auf dem Computerbildschirm werden die Hochformate stark angeschnitten.)
In Baiershofen, dem zweitkleinsten Ortsteil von Altenmünster, sind in diesem Jahr schon zum neunten Mal die Maiwichtel kreativ in Erscheinung getreten – wobei sie selbst anonym bleiben und nur ihre Aktion für sich sprechen lassen. Nach Jahren, in denen sie Baiershofen zum Gewerbedorf, zum Filmdorf oder gar zum Königreich ausgerufen und ihre Mitbürger mittels selbst gemalter Schilder auf die Schippe genommen haben, lautet das Motto in diesem Jahr „Eurovision – ein Lied für Baiershofen“.
58 Schilder mit Liedtiteln haben die Maiwichtel im Homeoffice gemalt, mit QR-Codes versehen, die zu YouTube-Videos führen, und coronakonform ehepaarweise vor und nach der Ausgangssperre an den Zäunen angebracht. Hier einige Beispiele:
Ich habe mich sehr darüber gefreut, für die Augsburger Allgemeine über die Aktion berichten zu dürfen. Leider war dabei nur für ein einziges Foto Platz, aber online gibt es eine Galerie mit über 30 Bildern zu sehen. Außerdem hat Anna Singer, die im Januar bereits für a.tv einen Beitrag über meine Knopfwerkstatt gedreht hat, den Maiwichteln eine komplette Land-und-Leute-Sendung gewidmet, die in der Mediathek zu sehen ist.
Für sie haben sich zwei der höchst konspirativen Maiwichtel sich doch ausnahmsweise aus der Deckung gewagt und zur Live-Performance des Showkünstlers Patrick Granado getanzt.